Einfalt statt Vielfalt?


Fotos: Petra Schweim vom Appelbarg
Fotos: Petra Schweim vom Appelbarg

Es stellt sich überhaupt die Frage: „Wird alles so sein wie vor der Pandemie?“ Nie war der Wunsch nach einem eigenen Stückchen Grün in der Stadt größer als in Corona-Zeiten. Jeder zur Verfügung stehender „Fleck“ Gartenboden, jeder knappe Platz zum Bepflanzen auf dem Balkon oder jeder angebotene Gartenpatenschaft wird und wurde angenommen. Selbst die eigene Fensterbank wurde zum laufenden Meter Dschungel gestaltet. Es ist mehr als nur ein Trend, bewusstere, gärtnerische Kulturtechniken zu entdecken oder im Zusammenhang mit Urban Gardening eigenes Obst und Gemüse anzubauen, um so nicht nur die eigene Geschmacksbildung bewusst zu fördern, sondern auch einen kostengünstigeren Anbau von Kräutern, Gemüse und Obst zu verwirklichen.

Vielfalt im Garten um jeden Preis? Ist das nicht oft pure Einfalt? Wer nicht erkennt, welche insektenfreundliche, blühende und klimaverträgliche Botanik in unsere gemäßigte Klimazone eine langlebige Chance hat, ist ungenügend beraten worden oder entscheidet sich spontan zur Kurzlebigkeit seiner Pflanzen. Kaufentscheidungen, die sich noch vor Jahren bewährt hatten, sollten in dieser Zeit hinterfragt sein oder werden. Wetterveränderungen wie zu viel Trockenheit, zu lange Nässe, unerwarteter Wind sind entscheidend und zu berücksichtigen, damit sich vieles im Garten langlebig verwurzeln kann.

2020 haben wir in einer bisher unbekannten Intensität unser grünes Refugium wertschätzen gelernt. Augenblicklich beginnen wir vermutlich gerade mit unserer „Symbiosen-Natur“ zu entschleunigen. Möglicherweise kann nicht nur das eigene Refugium, die mit Pflanzen dekorierte Terrasse oder eine abwechslungsreiche Balkonbotanik unsere derzeitig „durcheinandergewirbelten“ Sinne wieder „etwas“ ordnen.

Die in uns eigentlich verankerte Lebensfreude, am Aufenthalt in blühender, duftender und fruchtender Umgebung verbessert für die meisten von uns die gegenwärtigen Lebensbedingungen. Philosophen behaupten, unsere Gärten sind deutliche Spiegelbilder der Seele. Individuelle Lebensräume so verstehen Trendforscher diesen Ort der modernen Entschleunigung. Und genau dazwischen liegen Millionen und definierter „Grüne Lungen“ in ihrer unerschöpflichen, abwechslungsreichen Facettenvielfalt.


Garten der Sinne


Fotos: Petra Schweim vom Appelbarg
Fotos: Petra Schweim vom Appelbarg

Wir leben und erleben unseren „Appelbarg“ unaufgeregt, aber mit einem „grünem Herzen“. Oft schon frühmorgens scheint und schaut der sonnige Stern in einer Entfernung von 149.600.000 km mit einem hellen, erwachendem Lächeln direkt auf den Appelbarg. Das ist ein so lebenswichtiger wiederkehrender Moment, der uns zeigt, dass wir noch in „unserer“ Natur auf den 1.500 Quadratmetern aktiv sein dürfen.

Wie zu jedem anderen Garten gehört, wenn möglich auch eine Sitzgelegenheit der Stille, eine kleine lauschige Ecke zum Verweilen oder sich einfach nur zu entspannt auszuruhen. Der „Garten der Sinne“ tut einfach nur gut. Wer seinen Garten betritt oder einen anderen begehen darf, hierbei werden zunächst nur die Augen angesprochen. Andere, fast vergessene oder „unberührte“ Sinnerlebnisse ergeben sich zufällig und bleiben oft unentdeckt, weil unsere Wahrnehmung gar nicht darauf eingestellt ist. Dabei spürt jeder sofort, wie die intensivere, oft jegliche Begegnung mit der Natur uns nachhaltig entspannt. Bewusstes Fühlen, Riechen, Hören, Schmecken und natürlich optische Neugierde schärft nicht nur die Sinne, sondern öffnet auch „grüne“ Herzen für die Natur. Um diese Botschaft durch ein Zitat meiner Lehrerin Hannelore „Loki“ Schmidt, (* 3. März 1919 in Hamburg; † 21. Oktober 2010) aus den 60er Jahren zu ergänzen. „Nur durch Anfassen kann man begreifen.“ Und deshalb kann der Homo sapiens zwischen Rosen und Rasen das oft unvergleichlich grüne, blühende, fruchtende oder unberührte Paradies, mit wachsendem Interesse „erlebt“.


Scheitern macht schlauer


Fotos: Petra Schweim vom Appelbarg
Fotos: Petra Schweim vom Appelbarg

Seit es Gärten gibt, sorgt gepflanzte Artenvielfalt für unerwartete Lebensräume. Verborgene naturnahe, fast versteckte Nischen fördern die Motivation für weitere gärtnerische Ideen. Unerwartete Durch- und Einblicke in blühende und wachsende Natur wird durch die Jahreszeiten immer intensiver und spannender. Wer anders und unerwartet harmonische Ruhezonen, duftende Blütenerlebnisse oder „nur“ das frische Grün, plätschernde Wassereines Brunnens oder das stimmungsvolle Licht der Sonne und Mondes wahrnimmt, erlebt seinen Garten als erweiterter Wohnraum. Romantisch und verspielt, modern und gradlinig, zeitgemäß, schön. Das ist Entspannung pur. Im Detail betrachtet sind eigentlich alle Pflanzen mit „guten Eigenschaften“ ausgestattet dazu gehören auch Brennnesseln, Giersch, Klee, Moos & Co. oder nicht? Nicht nur Blüten sind entscheidend für Akzeptanz, viel wesentlicher, so Petra Pelz (Freie Gartenarchitektin) können durchweg auch das unverwechselbare Laub, eine fast unerklärliche Textur und der natürliche vegetative Habitus (Wuchsform) nicht nur bei näherer Betrachtung sein. Und warum ist das so? Weil sich diese natürlichen Charakteristika nun mal länger zeigen und dann erst geschätzt werden als oftmals zuvor der blühende Flor.

Wer darauf achtet, dass verpflanzte Gräser und Stauden vom Austrieb bis zum Prozess der sichtbaren Vergänglichkeit attraktiv bleiben, hat alles richtig gemacht. Selbst im Winter schafft es die Natur als ein annehmbares ästhetisches Erscheinungsbild wahrgenommen zu werden. Vergänglichkeit bedeutet sehr oft Neubeginn. Deshalb gegenüber der Natur „Haltung bewahren“, wünscht sich Petra Pelz und fügt überzeugend hinzu „darum geht es doch im Garten wie im Leben.“